Interview mit Michael Herrmann

Michael Herrmann wuchs auf dem Bauernhof seiner Familie in Rhaunen/Hunsrück auf, wurde selbst Landwirt und übernahm vor einigen Jahren den Betrieb seines Vaters. Schon seine Eltern beschäftigten sich mit Putenmast, zunächst jedoch nur für den eigenen verzehr, da sich bei einigen Mitglieder der Familie gesundheitliche Probleme (Arthrose, Gicht) zeigten, die mit dem Verzehr von tierischen Eiweißen, wie z.B.in Schweinefleisch, in Verbindung gebracht werden.

Hallo Michael,
gleich zu Beginn die wohl wichtigste Frage: Warum kann ich ausgerechnet bei Dir gesundes Putenfleisch kaufen, während die Medien die Putenmastindustrie verteufeln. Ich erinnere mich an sehr beunruhigende Berichte wie "Putenfleisch besteht nur aus Gift und Wasser" oder Bilder mit fußballfeldgroßen Hallen, in denen aneinandergedrängte geschundene Tiere kauern.

Michael: Also, eigentlich hast Du die Antwort schon vorweggenommen, wenn die Presse von Putenfleischindustrie spricht, bedeutet dies: auf engstem Raum zusammengepfercht vegetieren 10-15000 Tiere dahin. Da gibt es nichts treffenderes als das Wort Industrie, man sollte sich hierbei aber vor Augen halten, daß Tiere Lebewesen sind und keine tote Materie, beim Versuch Tierhaltung zu industrialisieren bleiben diese Lebewesen gezwungenermaßen auf der Strecke. Hier komme ich zu Deiner Frage, auf meinem Hof haben die Tiere fünfmal soviel Platz wie im Tierschutzgesetz verlangt, d.h. die Tiere können sich frei bewegen, sich regelrecht austoben oder aber einander aus dem Weg gehen, was bei Putenhähnen von Zeit zu Zeit wichtig ist, da sie manchmal heftig "aneinandergeraten".

Moment, heißt das unter Deinen Putern finden regelrechte Kämpfe statt?

Michael: Ja, wie in der Natur gibt es auch in unseren Putengruppen feste Rangordnungen, wenn ein Hahn diese in Frage stellt wird ein Kampf ausgetragen. Falls nun der unterlegene Hahn nicht genügend Platz zum Rückzug hat, geht ein solches Gerangel zumeist tödlich aus. Also ein wichtiger Grund den Tieren genügend Raum zu bieten.

Du legst großen Wert darauf, keine Medikamente bei Deinen Tieren zu verwenden, auch bei Krankheit. Welche Maßnahmen ergreifst Du, wenn ein Tier erkrankt?

Michael: Nun, generell ist es bei mir kein Problem ein krankes Tier von den Übrigen zu isolieren, da die Gruppen relativ klein und dadurch überschaubar sind. Schwierigkeiten entstehen, wenn diese Tiere bei zu großen Beständen nicht auffallen und isoliert werden. Sobald ein Tier für seine Artgenossen Auffälligkeiten zeigt, zu schwach ist, um zuflüchten oder schlicht keinen Platz hat, wird es bei lebendigem Leib von seinen Artgenossen aufgefressen, das ist eklig, aber so ist die Natur.

Was passiert in den industriellen Mastbetrieben, wo bei bis zu 15000 Tieren eines oder wenige erkrankte Tiere nicht auszumachen also auch nicht zu isolieren sind?

Michael: Um den Gesamtbestand nicht zu gefährden gibt man vorsichtshalber allen Tieren das Medikament, obwohl nur wenige krank sind, da es technisch gar nicht anders zu realisieren ist. Bei einer solch großen Menge eingesetzter Medikamente ist es somit gar nicht verwunderlich, daß immer wieder Rückstände im Fleisch zu finden sind.

Die verabreichten Medikamente stellen ja nur ein Problem dar, was wäre, wenn sich herausstellt, daß das von Dir verwendete Futter kontaminiert ist ? - Futtermittelskandale sind heute ja keine Seltenheit.

Michael: Da besteht auf Hof Königstein keine Gefahr. Wir verwenden kein Fertigfutter, unsere Tiere bekommen nur selbsterzeugtes Futter - auch Gras und Rüben vom Hof. Mit dieser ausgesuchten und vorallem ausgewogenen Ernährung legen wir den wichtigsten Grundstein für gesunde und widerstandsfähige Tiere, ich wäre auch anfälliger, wenn ich jeden Tag ausschließlich Fast Food essen würde.

Also, ich bin überzeugt. Nur - kann ich mir als Normalverdiener Putenfleisch von Hof Königstein überhaupt leisten?

Michael: Ja, sehr gut sogar. Bei uns gibt es keinen Groß-, Zwischen-und Einzelhändler, der Verbraucher kauft direkt bei uns. Dadurch kostet das Fleisch nicht mehr als beim Metzger, nur: wir dürfen ausschließlich ganze oder halbe Tiere verkaufen. Aber eine Pute zu zerlegen ist überhaupt kein Problem und zur Not kann ich Dir einen Metzger empfehlen, der für ca 10 Euro den Vogel zerlegt.

Vielen Dank für das Gespräch!